Information - Modell - Bauwerk

Als in Wien ansässiges Architekturbüro haben wir es vornehmlich mit Entwurfsanfragen zu Bestandsbauten zu tun.
Um in der eigenen Arbeit ein immer verlässlicheres digitales Modell aus dreidimensionalen Daten verwenden zu können, setzen wir seit 2 Jahren einen 3D-Laserscanner zur Erstellung von Punktwolken ein.

Was ist eine Punktwolke?

Der 3D-Laserscanner tastet mittels eines kugelförmig ausgesendeten Laserstrahles den ihn umgebenden Raum ab. Jeder „Treffer“ auf der Oberfläche des abgetasteten Raumes wird mit x,y,z Koordinaten digital festgehalten. Alle Punkte einer Messung bilden eine sogenannte Punktwolke als digitalem Abdruck des Bestandsgebäudes. Die Punktwolke wird nun mit digitalen Werkzeugen für die Verwendung in der Planung vorbereitet. Auf diesen Daten zur Definition des Bestandes setzt dann unsere Architektur auf.
Wir versuchen momentan die Verarbeitung von digitalen Daten hinsichtlich der Schnittstellenproblematik mit erhöhter Aufmerksamkeit zu betrachten.
Der derzeitige Workflow wird daher kritisch beleuchtet, um vermeidbare Medienbrüche zwischen dreidimensionalen und zweidimensionalen Informationen einzuschränken.

Der Workflow derzeit

Die hier erwähnten Produkte sind nur beispielhaft angeführt, da es auch andere Kombinationen von Werkzeugen gibt.
3d-Laserscanner der Fa. Faro

Wie man an der Abfolge der eingesetzten Software-Werkzeuge sehen kann, werden dreidimensionale Daten auf zwei Dimensionen reduziert und aus zweidimensionalen Daten dreidimensionale Strukturen erzeugt.

Diese softwaretechnischen Medienbrüche bei der Verarbeitung der Informationen einer Punktewolke beim Bauen im Bestand sind im Folgenden Thema unseres Anwenderberichts.


These:

Den Workflow verbessern in dem die dreidimensionalen Daten auch in der Verarbeitung in 3D erhalten bleiben.
Wie immer steht am Anfang das Streben nach Absolutheit als treibende Kraft.

Irgendwie wohl ein zivilisatorischer Reflex auf das digitale Abbild der Wirklichkeit in Form einer Punktwolke. Ein dreidimensionales Digitalmodell soll „zerschnitten“ werden, um es dann in einem CAD-Programm wieder neu zu errichten?

Dieser Medienbruch wird von uns als grosser Präzisionsverlust beschrieben. Unser Wunsch ist es eine Unmenge an präzisen Daten der holistischen digitalen Punktwolke mit einem einzigen Werkzeug simultan urbar zu machen.

Ergebnis der Analyse der aktuellen Software-Produktlandschaft:

Eine umfassende Software gibt es derzeit nicht!
Auf Frustration über diese Nachricht folgte das Einsickern lassen der Fragen, Diskussionen und Erkenntnisse.
Es folgte die Gegenüberstellung der Punktwolke mit einem typischen Konvolut einer analogen Bestandsaufnahme mit ihren vielen verschiedenen Sorten von Skizzen.

Digitale Daten- Flut versus analoge Ordnung

Wenn man die analogen Skizzen eines Projektes betrachtet, gehören sie verschiedenen Kategorien an:

Eine weitere Komponente der Analyse ist die menschliche Wahrnehmung selbst.

Was nehme ich beim ersten Betreten, der auf zu messenden Struktur, wahr?

Was blende ich aus, der auf mich einströmenden analogen bildhaften, dreidimensionalen Datenflut aus?

These:

Es gibt eine sich zyklisch vertiefende Auswahl in der Perzeption der theoretisch gleichzeitig wahrzunehmenden Elemente eines räumlichen Konstruktes.
Ich würde dazu gerne auf das alte Beispiel der Schichtung einer Zwiebel verweisen.

Beim 1. Gang durch die noch unbekannte räumliche Struktur zähle ich die Räume einer Ebene und überlege mir mein Aufmaß System für die vorgefundene räumliche Struktur.

Beim 2. Gang messe ich die Räume mit Diagonalmaßen, Raumhöhen,..,…

Beim 3.Gang verzeichne ich Ausrüstung wie Decken Auslässe, Steckdosen, Heizkörpern, Revisionsöffnungen.

Beim 4. Gang vermesse ich spezielle Details wie Fensterkonstruktionen

Mit jedem Durchgang durch die räumliche Struktur durchwandere/ entblättere ich eine Zwiebelschalenschichte nach der anderen und vertiefe die Kenntnisse zu einem Projekt.

Wenn ich diesen Vorgang mit dem Formfindungsprozess kombiniere, kann ich die Sorten der Aufmaßskizzen dem Ablauf typischer Planungsphasen bzw. Planungsmaßstäbe zuordnen.

„Gehe“ ich nun in die digitale Punktwolke, kann ich diese genauso portionieren:

Betrachten wir noch einmal das analoge Bestandsaufnahme-Modell.

Nehmen wir an, es gibt nur einen Durchgang, der von unerfahrenen Studenten, die aus Kostengründen im kalten November ein seit Monaten leerstehendes Fabriksgebäude aufnehmen, durchgeführt wird.

Zwischen Thermoskanne, Zigaretten, Telefonanrufen werden Dinge falsch gemessen oder übersehen bzw. als nicht wichtig erkannt.

Das Objekt steht 70km vom Planungsbüro entfernt. Mit analogen Mitteln nun die Lücken im Aufmaß zu schließen kann teuer werden. In unserem Büro ist übrigens schon zu „analogen Zeiten“ das Ausmessen von Gebäuden „Chef-Sache“ gewesen.

Mit der die Wirklichkeit abbildenden Punktwolke gibt es nun die erweiterte Möglichkeit, die vielleicht in der Aufmaßphase nicht erkannte Fragestellung zu beantworten oder eben Lücken in der Auswertung zu schließen.

Man muss nur neuerlich unter dem neuen Gesichtspunkt der aktuellen Fragestellung in die digitale Punktwolke treten und sie auswerten.

Conclusio:

Die Punktwolke muss also nicht in ihrer Totalität mit einem Werkzeug verarbeitet werden, sondern aus ihr wird als Datenbank zum angezeigten Zeitpunkt, aus Anlass eines Planungsthemas, die notwendige Information exzerpiert.

Die Reduktion, die zuerst als Verlust wahrgenommen wurde ist nun die gesteuerte Fokussierung auf ein Element der baulichen Struktur, die bearbeitet/bewertet werden soll.

Die Reduktion ist also Mittel zur Systematisierung im Sinne der Einordnung/Bewertung. Sie entspricht dem Filter unserer Wahrnehmung in der analytischen Beobachtung einer räumlichen Struktur.

Die Reduktion auf zwei Dimensionen als Schnitt oder Grundriss ist eine klassische Verortung in den 3 geometrischen Ebenen x,y,z.

Sie ist die notwendige Transformation auf dem Weg zur Formulierung des zweidimensionalen Bauplanes, der immer noch das sprachliche Transportmittel auf der Baustelle ist.

Ich würde sogar sagen, die Reduktion ist Abbild der menschlichen Fokussierung auf ein bestimmtes Feld des Planungszieles.

Die Punkte- Wolke ist nun die Bibliothek aus der wir die Informationen heraussuchen, die wir zur Beantwortung unserer Fragestellung heranziehen.

Der Medienbruch ist so gesehen kein Verlust, sondern der Filter einer Fragestellung unter der wir etwas ansehen und analysieren wollen.

Die Software-Familie mit Scene und Pointcloud oder ähnliche im Bereich der Architektur ist also vielleicht state of the art.

Um sowohl die Hardware und Software eines Büros als auch die finanziellen Ressourcen eines Auftraggebers zu entlasten, könnte man sagen:

So wenig wie möglich - Nicht mehr als notwendig

PS: Neben der Beratung in den Bereichen Bauphysik und Garten-und Landschaftsplanung, erstellen wir auch Digitale Punktwolken für andere Fachplaner.


Atelier Vavrovsky

Stumpergasse 32/16
A-1060 Wien

http://www.vavrovsky.eu